Der Name der Rose by Carl Hanser Verlag

Der Name der Rose by Carl Hanser Verlag

Autor:Carl Hanser Verlag
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446239067
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2011-09-12T16:00:00+00:00


Als ich die Augen nach einiger Zeit wieder öffnete, war das Nachtlicht bedeutend schwächer geworden, vielleicht weil eine Wolke sich vor den Mond geschoben hatte. Ich tastete mit der Hand zur Seite und fasste ins Leere. Ich drehte den Kopf: Das Mädchen war weg.

Die Abwesenheit des Körpers, der mein Verlangen so heiß entzündet und meine Gier so herrlich gestillt hatte, machte mir jäh die Eitelkeit dieses Verlangens und die Ruchlosigkeit dieser Gier bewusst. Omne animal triste post coitum. Mir wurde klar, dass ich gesündigt hatte. Noch heute indes, Jahrzehnte und Aberjahrzehnte später, und während ich meinen Fehltritt immer noch heftig beklage, kann ich nicht vergessen, dass ich damals in jener Nacht unsägliche Freude empfand, und ich täte Unrecht dem Allerhöchsten, der alle Dinge so gut und schön geschaffen hat, wenn ich nicht zugäbe, dass auch in jener Begegnung zweier sündiger Menschen etwas geschah, das an sich, naturaliter, gut und schön war. Doch vielleicht ist es auch nur mein Alter, das mir verwerflicherweise alles als gut und schön erscheinen lässt, was mit meiner Jugend zu tun hat, während ich doch mein ganzes Denken dem nahen Tod zuwenden sollte. Damals freilich, als ich jung war, dachte ich nicht an den Tod, sondern weinte, weinte bitterlich über meine Sünde.

Ich erhob mich zitternd, auch weil ich so lange auf dem kalten Steinboden gelegen hatte, und mein Körper war steif. Wie ein Fiebernder schlüpfte ich in meine Kleider. Dabei entdeckte ich in einer Ecke das Bündel, das entschwundene Schöne zurückgelassen hatte. Ich kniete nieder, um es zu untersuchen. Es war eine Art Säckchen aus zusammengeknotetem Tuch, das aus der Küche zu stammen schien. Ich knüpfte es auf und erkannte nicht gleich, was es enthielt, teils wegen des schwachen Lichtes, teils wegen der Unförmigkeit seines Inhalts. Dann aber begriff ich: Zwischen Klumpen geronnenen Blutes und Fetzen von weichem weißlichem Fleisch lag vor meinen Augen, tot, aber noch zuckend vom gallertartigen Leben der toten Innereien, durchzogen von bläulichen Adern, ein riesiges Herz.

Dunkle Schleier sanken mir über die Augen, bitterer Speichel schoss mir in den Mund. Ich stieß einen Schrei aus und fiel wie ein Toter zu Boden.



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